Worum es geht

Auf dem Weg zu einem Pastoralkonzept im Seelsorgebereich Main-Itz - Predigtgedanken zum 31. Sonntag im Jahreskreis von Pfr. Markus Schürrer (Unten auch zum Anhören)
Liebe Gemeinde,
es war vor nicht allzu langer Zeit bei einer Konferenz. Wir sind schon lange gesessen. Es wurde viel geredet und noch mehr gedacht. Und mitten, als mein Gegenüber wieder mal das Reden nicht aufhört ruft jemand von der Seite rein: "Komm endlich auf den Punkt!"
Komm auf den Punkt! Konzentriere dich auf das Wesentliche. Aber was ist das Wesentliche? Das fragt sich auch schon der Schriftgelehrte. Was ist das Wesentliche? Welches der 365 Verbote und 248 Gebot, die es im Judentum gibt, ist das wichtigste? Das will er nicht von irgendwem wissen, sondern von Jesus selber. Der gibt eine kurze Antwort: „Das wichtigste Gebot ist, du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele. Und ebenso wichtig ist das zweite Gebot: du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ In ganz wenigen Worten, in ganz einfacher Sprache bringt Jesus das Wesentliche des Glaubens auf den Punkt: wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst.
In der letzten Woche habe ich bei der Predigt gesagt, dass viele Christen und noch mehr die Fernstehenden unsere Kirchensprache nicht mehr selbstverständlich verstehen. Ich möchte heute daran anknüpfen und sagen: auch der Wortschwall und die Papierflut, die wir in vielen Bereichen unserer Kirche produzieren, sagen wir es mal vorsichtig – trägt nicht gerade dazu bei, dass Menschen sagen: das ist was für mich. Botschaften, die heute gehört werden wollen, müssen nicht unbedingt provokant sein, aber eines müssen sie: kurz sein. Da kann man auf der einen Seite natürlich bedauern, dass sich immer weniger die Mühe machen und Argumente hören und abwägen für die eigene Meinungsbildung. Andererseits ist es für unsere Glaubensbotschaft auch eine Chance. Wenn wir nämlich nur wenige Worte zu Verfügung haben, dann müssen wir uns genau überlegen, was ist mir an diesem Glauben das Wertvollste und wie kann ich es in knappen Worten zusammenfassen.
Seit letztem Monat gehe ich wieder im Wechsel mit unserer Pastoralreferentin Christine Goltz, einmal im Monat durch alle Kindergärten in unserem nördlichen Seelsorgebereich. Jeden Mittwoch. Wir beten zusammen und singen und ich erzähle ihnen eine Geschichte von Gott, Jesus oder einem Heiligen. Jetzt könnte man denken, das ist ja schön. Aber Arbeit ist das doch nicht, den Kindern kann man doch irgendwas erzählen. Ich verrate Ihnen was. Jede Predigt vorzubereiten, fällt mir leichter. Denn je jünger die Kinder noch sind, desto wichtiger ist eine kompakte und klare Sprache. Bei Dreijährigen helfen mir leider meine theologischen Vorlesungen wenig. Ich bin gezwungen, in der kurzen Aufmerksamkeitsspanne, die die Kinder haben, in wenigen Worten das Wesentliche rüberzubringen.
Diese Kindergartenerfahrung ist für mich eine wirklich spitzenmäßige Schule für meinen persönlichen Glauben. Ich bin ind er Vorbereitung gezwungen, zu überlegen, was ist denn eigentlich der Kern der Botschaft, der Kern meines ganzen Glaubens. Das ist aber nicht nur eine Frage an mich, sondern an uns alle. Und wie es bei den Kindern ist, je weniger Worte wir dafür haben, desto schwieriger wird es, das, was Glauben für mich ausmacht, auf den Punkt zu bringen. Nichts weniger müssen wir aber, wenn wir heute noch Menschen für eben diesen Glauben begeistern wollen. Wenn wir nicht nur Menschen für uns gewinnen, sondern auch für die Menschen da sein wollen. Dann entscheidet sich wesentlich an unserer Sprache, ob wir überhaupt Zugang zu ihnen bekommen oder nicht.
Wie jeder andere erstellt auch unser Seelsorgebereich Main-Itz bis zum kommenden Sommer ein so genanntes Pastoralkonzept. Manche fragen sich - was soll das jetzt wieder? Noch ein Konzept? Wieder viel Papier für nichts? Nein. Wir wollen miteinander einen Gegenpol setzen zu dem immer weniger. Immer weniger Geistliche, immer weniger Mitarbeiter, immer weniger Ehrenamtliche, immer weniger Geld. Wir wollen mit diesem Pastoralkonzept zum Ausdruck bringen: wofür stehen wir als Kirchengemeinden vor Ort? Was ist uns so wichtig, dass wir es auch dann noch tun, wenn alles andere weniger wird? Was ist der Kern unserer Botschaft? Dazu haben wir auch die Fragebogen herausgegeben, die Sie in Ihren Briefkästen, den Pfarrbriefen oder andernorts bekommen haben. Wir haben für so eine Umfrage doch viele Bögen zurückbekommen. Schon allein das zeigt etwas, Kirche ist Menschen hier vor Ort nicht egal. Wir haben schon viele Kommentare, Anregungen, auch Kritik erhalten und sind dankbar, wenn wir auch weiterhin ausgefüllte Fragebögen zurückbekommen, wir verlängern die Aktion noch bis Ende November. Bei aller Unvollkommenheit eines solchen Fragebogens, geben uns die Antworten doch ein Meinungsbild und eine Orientierung. Wenn das Pastoralkonzept erstellt ist, dann, so ist es zumindest mein Wunsch, soll es nicht ein Buch mit vielen Seiten werden. Sondern wirklich ganz markante und einfache Kernsätze mit den Dingen, die unsere Kirche hier vor Ort ausmachen und auch weiter ausmachen sollen. Wir haben wahnsinnig viele und tolle Kindergärten in unserem Bereich, in denen hervorragende Arbeit geleistet wird und in denen wir den Kindern etwas von diesem guten Gott und von einem christlichen Miteinander erzählen können. Wir haben Gottesdienstbeauftragte, die eigenständig Wortgottesdienste feiern und so möglich machen, dass sich Gemeinde immer wieder zum Gebet versammelt, auch dann, wenn kein Geistlicher oder Hauptamtlicher da sein kann. Wir haben engagierte Frauen und Männer in Gremien und für viele Ehrenamtliche Dienste. Wir haben Kinder und Jugendliche, die sich als Ministrantinnen und Ministranten einbringen. Wir haben Kirchenmusiker, Bands, Chöre, Kantorinnen und Kantoren und eine hohe Qualität an Kirchenmusik. Und vor allem, wir haben Menschen in unseren Kirchen, die beten, miteinander und alleine. Wir haben Menschen, die ein offenes Ohr für die haben, denen sonst keiner zuhört. All das gehört zu unserem „Markenkern“. All das ist wichtig und wertvoll, solange es bei all den Dingen um das Wesentliche geht. Die Frage nach dem Wesentlichen lautet: Dient das, was wir tun Gott und den Nächsten? Oder dient es vielleicht doch anderen Dingen: dem Ego. Der Macht. Dem Ruf. Dem persönlichen Einfluss. Oder was auch immer.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, egal, was unser kirchliches Tun in den kommenden Jahren in unseren Gemeinden auch ausmacht. Alles, wirklich alles Handeln, muss sich der Überprüfung durch die eine, einzige und ganz kurze Frage unterziehen: Dient das, was wir tun, Gott und den Nächsten? Wenn nicht, dann weg damit. Wenn ja, dann sollten wir versuchen, es weiterhin zu tun. Damit die Menschen spüren, dieser Glaube kann ein Halt im Leben sein. Wir fragen uns ja oft, mit welchen Aktionen und Worten wir die Menschen wieder mehr für uns begeistern. Vielleicht braucht es weniger Worte, als vielmehr Menschen, die einfach das Leben, von dem sie überzeugt sind. Dazu soll Gott uns allen die notwendige Kraft schenken.
Amen.